Verband Schweizer Filmklubs und nicht-gewinnorientierter Kinos
Association suisse des ciné-clubs et des cinémas à but non lucratif
Associazione svizzera dei circoli del cinema e dei cinema senza scopo di lucro
Swiss Association of Film Societies and Non Profit Cinemas

FICC-Weltforum in Tunesien15.07.2013

Die Geschichte des Filmschaffens begann in Tunesien 1897, im Jahr, in dem die Gebrüder Lumière auf dem afrikanischen Kontinent die ersten bewegten Bilder drehten. In den 1940er Jahren gegründet, wurden die unabhängigen Filmklubs nach der Unabhängigkeit 1956 zu einer der wichtigsten demokratischen Nischen im tunesischen Einparteienstaat. Seit der Jasmin-Revolution 2011 hat sich die Anzahl Filmklubs von 27 auf 38 erhöht. Der tunesisch-französische Schriftsteller Abdelwahab Meddeb sieht das Internet und die mit diesem Medium vertraute Generation als Triebfeder der Revolution in Tunesien, die er im Hinblick darauf als eine „neue Ausdrucksform der Zeit in der Geschichte“ bewertet. Der Kongress war für alle Filmklub-Aktivisten und vor allem für die jungen TunesierInnen mit ihrer neugewonnen Freiheit von grosser Bedeutung. Vom 1.-7. April 2013 fand die Generalversammlung der FICC (Internationale Föderation der Filmklubs) erstmals auf dem afrikanischen Kontinent und in der arabischen Welt statt. Die Fédération Tunisienne des Ciné-Clubs (FTCC) lud Delegierte aus 45 Länder nach Hammamet, einem Touristenort an der östlichen Küste Tunesiens, ein. Die GV war Teil eines grösseren Anlasses, des FICC Weltforums, mit dem Schwerpunkt auf der arabischen Filmklubbewegung und im speziellen der tunesischen Filmkluborganisation. In mehreren Referaten zum Cinéclubisme in Tunesien, Afrika und der arabischen Welt wurde uns bewusst, dass die FICC nicht nur für den Austausch von internationalem Filmschaffen, für die internationalen Jurys an Festivals (Don Quijote Preis) und dem internationalen Networking bedeutend ist. Filmklubs sind auf dem afrikanischen Kontinent oft der einzige Treffpunkt, wo in geschütztem Rahmen die Meinungsfreiheit gewährleistet ist oder wo sich nach Filmvorführungen gewichtige Diskussionen über gesellschaftliche und politische Themen entfachen. Eine maghrebinische Referentin betonte, dass zukünftig in die Ausbildung von FilmklubbetreiberInnen investiert werden sollte. Film sei ein hervorragendes Erziehungsinstrument, insbesondere bei Jugendlichen (Gewalt, Konfliktbewältigung). Eine Marokkanerin erzählte von ihren Erfahrungen und ihrer Funktion in der Frauenbefreiungsorganisation innerhalb des Filmklubs. Frauen haben im islamisch geprägten Land heute fast die gleichen Rechte wie Männer. Für die Umsetzung des Gesetzes jedoch kämpfen verschiedenste Frauengruppen um die Stellung der Frau auf dem Weg in die moderne und globalisierte Welt. Link Die zwei Delegierten aus Burkina Faso kamen mit grossen Erwartungen an dieses Forum. Ihr Land ist bekannt für das Filmfestival in Ouagadougou: die grösste kulturelle Veranstaltung auf dem afrikanischen Kontinent und der einzige Ort, wo sich für Filmprofessionelle eine Gelegenheit bietet, Promotion und Networking zu betreiben. Es gibt kaum ein anderes internationales Filmfestival in Afrika (ausser im Maghreb) und somit ist es ganz schwierig, dort die Filmklubbewegung zu etablieren. Viele Länder sind auch nur beschränkt vernetzt, die politische Situation bleibt kritisch und es fehlt das Geld. Leider kann auch die FICC im Moment wenig bis keine Zukunftsvisionen bieten. Jurys. Die FICC hat in den letzten Jahren an wichtigen Festivals ihre Jury verloren. Das Beispiel der Berlinale: Das Festival will nur noch eine Jury finanzieren, wenn diese nach der Preisverleihung Promotion betreibt, d.h. preisgekrönte Filme sollten weltweit in Filmklubs gezeigt werden. 1998 wurde von der FICC das Pilotprojekt "Discoveries" als Beitrag zur nationalen Bildung und kulturellen Entwicklung, als Ergänzung zum kommerziellen Filmmarkt und zur Bereicherung der kulturellen Vielfalt gegründet. Das Ziel war es, mit einem Don Quijote-Preis ausgezeichnete Filme den Mitgliederverbänden der FICC vermitteln zu können. Schon fast historisch aber sind die Sorgen um die Finanzierbarkeit der FICC. Die weltweite Krise hat Bemühungen für Unterstützungsbeiträge lahmgelegt. Wichtig wäre es, Finanzierungspartner für eine effiziente Administration zu finden, welche Projekte generieren und umsetzten könnte. FICC Website. Die Massnahmen sind aufgelistet: Die Website muss den heutigen Bedürfnissen entsprechend erweitert werden (Facebook etc.). CINESUD ist eine internationale Verleih-Plattform, welche independent Films zu günstigen Konditionen anbietet. Sie wird zwar unabhängig von der FICC geführt, von ihr aber unterstützt. Filmklubs und Mitglieder der Föderationen weltweit können daran teilnehmen. In Katalonien gegründet ist sie heute vor allem in Lateinamerika, Spanien und Portugal aktiv. Ein solch relevantes Projekt braucht mehr Einsatz, damit diese Idee von Filmverleih sowie die angebotenen Filme im Kreis der FICC-Mitglieder bekannt gemacht werden können. Link Die in Hammamet verabschiedete Charte de Carthage ist ein Arbeitspapier, das die Bedürfnisse und Anliegen der FICC-Mitglieder auflistet und das dem aktuellen Vorstand als Grundlage für die zukünftige Arbeit dient. Link Idealismus und Zusammenarbeit. Der Enthusiasmus und Tatendrang unserer Gastgeber waren ansteckend. Alle Teilnehmenden waren nach dieser Woche voller Energie und guten Vorsätzen, das Versprochene umzusetzen. Erste Priorität für die TunesierInnen und die jüngeren FICC-Delegierten innerhalb der neu definierten regionalen Gruppen (North European, Pan-European, Asian Pacific, African und Latin American) sind motiviert, mehr auf Filmaustausch zu setzen. Die Digitalisierung vereinfacht dies um ein Vielfaches. Ein abwechslungsreiches Programm von tunesischen Kurz- und Langspielfilmen aus den Jahren 1986-2012 beschlossen jeweils zu später Stunde die reichbefrachteten Tage. Hinzu kam ein eintägiger Ausflug nach Tunis. Der Stacheldraht auf der Prachtstrasse Bourguiba und unzählige Flaggen im Stadtzentrum erinnern noch heute an die Jasmin-Revolution. Am letzten Tag des FICC-Weltforums feierte die Filmklubbewegung mit einer Riesentorte ihre hundertjährige Geschichte: 1913 wurde der erste belegte Filmklub in Paris gegründet. Der an der GV gewählte FICC-Vorstand setzt sich zusammen aus: Cultural President: Luce Vigo (Frankreich); President: Claudino de Jesus (Brasilien); Vice-President: Golam Rabbany Biplo (Bangladesch); Secretary General: Julio Lamaña (Spanien); Treasurer: Ramzi Laamouri (Tunesien); African Group: Amina Saibari (Marokko); Asian Pacific Group: Rajesh Gongaju (Nepal); Pan-European Group: André Viane (Portugal); Latin American Group: Cristina Marchese (Argentinien); Nordic European Group: Maeve Cooke (Irland); Special Duties: Robert Richter (Archive, Schweiz); Ryan Michael Reynolds (Research and Publications, Neuseeland); Kim Brunn (Children and Youth Films, Dänemark); Gabriel Rodriguez (Communication, Mexiko); Joao Paulo Macedo (Secretariat and Jury Administration, Portugal) & Atle Hunnes Isaksen (Secretariat and Jury Administration, Norwegen). Die nächste Generalversammlung findet voraussichtlich 2015 in Asien (Indien) statt. www.ficc.info und infoficc.wordpress.com Eva Furrer-Haller, Vorstandsmitglied Cinélibre

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